Buchkritik „Mein Mann, der Kommunist“ von Philip Roth

Bisher hatte ich von Philip Roth (1933-2018) die drei Bücher „Nemesis“, „Verschwörung gegen Amerika“ und „Der menschliche Makel“ mit Genuß und Gewinn gelesen. Dazu kam nun ein viertes hinzu. Sein Buch „Mein Mann, der Kommunist“ war ein Bücherkisten-Fund.

Der 1998 erschienene Roman schildert das Schicksal des jüdischen Arbeiters, Radiostars und Kommunisten Ira Ringold. Erzählt wird es von dessen älteren Bruder Murry seinem ehemaligen Schüler Nathan Zuckerman, einem literarischen Alter Ego von Roth. Zuckerman kommt aus dem unteren Mittelschichts-Judentum an der Ostküste, welches gerade dabei ist sich aus den Einwanderervierteln heraus zu arbeiten.
Die Geschichte spielt als Rückblick größtenteils in der McCarthy-Ära der 1950er-Jahre. Der Körper-große Ira wird durch seine Verkörperung von Abraham Lincoln zum Schauspieler und schließlich zum Radio-Sprecher der Sendung „Frei und tapfer“.
Zuvor wurde er während des Zweiten Weltkriegs durch den Arbeiter Johnn O’Day zum Partei-Kommunismus bekehrt. Bald aber schon setzt in den USA die Jagd auf Kommunistinnen und vermeintliche Kommunistinnen ein. Es werden Listen mit Verdächtigen angelegt, die oft ihre Anstellung verlieren, und das „Komitee für unamerikanische Umtriebe“ führt Verhöre durch, deren Beurteilungen Karrieren beenden kann.
Dem Hauptprotagonisten Ira Ringold gelingt als „Iro Risin“ der Ausftieg zum Radio-Star. Gleichzeitig heiratet er mit Eve Frame, eine ältere ehemalige Stummfilm-Berühmtheit. Eve stammt selber aus einer jüdischen Familie, versucht das aber zu verheimlichen. Ihr antijüdischer Selbsthass führt zu einem Antisemitismus, der sich immer wieder impulsiv Bahn bricht. Drei ihrer Ehen sind gescheitert und ihr einziges Kind, ihre Tochter Sylphit, hält Eve in emotionalen Geiselhaft.
Gleichzeitig nehmen in Iras Leben die Widersprüche zu: Er ist Arbeiter, Idealist und Kommunist, führt gezwungenermaßen mit seiner Frau ein großbürgerliches Privatleben, in dem er aber eher ein Zuschauer ist. Ira ist ein Riese mit großen Händen, der in Newark, New Jersey, als Jude unter italienischen Arbeiterinnen aufgewachsen ist und musste sich in dieser rauen Umgebung im Wortsinne durchschlagen. Er passt nicht zu dem ehemaligen Hollywood-Starlette, einer „berühmte[n] Schönheit, die wie ein Teebeutel in aristokratische Arroganz getaucht ist […]“ (Seite 107). Vor allem Eves Tochter lehnt ihn ab. Der Konflikt mit seiner Frau und seiner Stieftochter spitzt sich zu und Ira stürzt sich in Affären. Es kommt 1951 zur Trennung. Eve rächt sich an Ira, indem sie den republikanischen Politiker Bryden Grant und seine Frau Katrina van Tassel Grant in ihrem Namen ein Buch mit dem Titel „Mein Mann, der Kommunist“ schreiben und im Jahr 1952 veröffentlichen lässt. Dieses Rufmord-Dokument stürzt Ira in den Abgrund. Das alles erfährt Nathan Zuckerman Jahrzehnte nach Iras Tod von dessen Bruder Murray Ringold. Auch er ist ein Opfer des grassierenden Antikommunismus, verliert zeitweise seinen Job als English-Lehrer und wird Staubsaugervertreter, um über die Runden zu kommen. Das Buch beinhaltet mit dem Porträt Iras ein Psychogramm eines Mannes, der ein Gewaltproblem hat, und der wütend ist, auch über erfahrenen Antisemitismus. Aber „Amerika war ein Paradies für zornige Juden.“ (Seite 204) So wird Ira Partei-gläubiger Kommunist Der 1950 ausgebrochene Koreakrieg und eine allgemeine Atomkriegsangst treiben ihn an, bis 1953/56 die kommunistische Utopie für viele US-Kommunistinnen implodiert als Stalins Verbrechen und sein Antisemitismus sichtbarer werden.

Der Roman ist ein lesenswertes Buch, was neben dem Psychogramm des Hauptprotagonisten auch ein Porträt der McCarthy-Ära 1946-56 bietet.

Philip Roth: Mein Mann, der Kommunist, Reinbek 2021

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