Buchkritik „Antisemitismus und die AfD“ von Stefan Dietl

Das Buch „Antisemitismus und die AfD“ von Stefan Dietl ist erst im April 2025 im Verbrecher-Verlag erschienen.
Der Autor schreibt am Anfang: „Das vorliegende Buch versteht sich als antifaschistisches Plädoyer dafür, endlich auch den beschriebenen blinden Fleck in der Auseinandersetzung mit der AfD ins Visier zu nehmen: den Antisemitismus.“ (Seite 10)
Tatsächlich blieb der Antisemitismus in der AfD bisher eher unbeleuchtet. Das wundert, da die extreme Rechte in Deutschland ja in der Tradition eines eliminatorischen Antisemitismus steht.

Dietl identifiziert verschiedene Varianten von Antisemitismus in der AfD. Einige davon sind in der Grund-Ideologie der AfD geradezu angelegt, etwa in ihrer Kritik an ‚globalistischen‘ und geheimen Eliten: „Letztlich enthalte die Konstruktion einer volksfeindlichen, globalistischen Elite »ein massives antisemitisches Potential, das sich leicht aktualisieren lässt und damit eine fundamentale Bedrohung für Jüdinnen und Juden darstellt«.“ (Seite 34-35)
Hier ist besonders der Anti-Soros-Antisemitismus zu nennen. Die Vorstellung von George Soros als allmächtigen, jüdischen Strippenzieher im Hintergrund hat die alten antismitischen Narrative um die Rothschilds ersetzt.
Auch das Verhältnis zu Israel sei, so Dietl, nicht so eindeutig wie der erste Blick vermuten lässt: „Trotz der plakativen pro-israelischen Inszenierungen der AfD auf Bundesebene finden sich zahlreiche Beispiele des israelbezogenenen Antisemitismus in der Partei.“ (Seite 39)
Auch in der neoliberalen Partei-Strömung entdeckt Dietl antisemitisches Potenzial. Besonders wenn die Vorstellungen vom ungehemmten Kapitalismus nicht ohne Krisen ablaufen werden schnell geheime Eliten verantwortlich gemacht.
Generell wird Antisemitismus von der AfD nur dann kritisch thematisiert wenn er ‚rassifiziert‘ also outgesourct werden kann: „Dabei zeichnet die AfD ein Bild, in dem Antisemitismus in erster Linie als Gefahr von außen präsentiert wird.“ (Seite 79)
Vor allem Muslimen wird von der AfD gerne Antisemitismus zugeschrieben. Dabei geht es aber nicht um die Kritik eines islamisierten Antisemitismus, sondern um eine Instrumentalisierung zugunsten des eigenen rassistischen Programms: „Bestimmende programmatische Leitidee der AfD ist weder Religionskritik im Allgemeinen noch Kritik am Islam im Besonderen, sondern schlichter Rassismus.“ (Seite 80)
Dass die Regime-verharmlosende „Deutsch-Iranische Parlamentarier-Gruppe“ mehrheitlich von AfD-Bundestagsabgeordneten unter Roger Beckamp gestellt wird, zeigt auch noch einmal dass es der AfD nicht um eine grundsätzliche Islamismus-Kritik geht.
Auch die christliche Rechte in der AfD, die sich sehr philosemitisch gibt, ist nur bedingt ein Freund des Judentums. Wie Dietl ausführt folgen die pro-jüdischen und pro-israelischen Evangelikalen einem antijüdischen Messianismus.
Ein weiteres Einfallstor ist der Anti-Modernismus in der AfD: „Die heterogene Wähler*innenschaft der AfD verbindet der Gedanke, sich in einem gemeinsamen Abwehrkampf gegen die fortschreitende Moderne zu befinden.“ (Seite 91)

Dietl resümiert: „Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Antisemitismus integraler Bestandteil des politischen Denkens der AfD ist. Entgegen der öffentliche Wahrnehmung sind die antisemitischen Ausfälle von AfD-Politiker*innen keineswegs Einzelfälle.“ (Seite 107)
„Antisemitisches Gedankengut findet sich nicht nur bei einigen wirren innerparteilichen Außenseitern, sondern ist im politischen Zentrum der AfD fest verankert. Im Zuge der sich als Erfolgsrezept erwiesenen Radikalisierung der Partei seit ihrer Gründung fielen auch die Hemmungen vor explizit judenfeindlichen Positionierungen.“ (Seite 108)

Insgesamt argumentiert Stefan Dietl überzeugend. Er enttarnt die Selbstdarstellung der AfD als „Garant jüdischen Lebens“ als Selbstinszenierung.
Ein wenig mehr hätte man noch auf die Funktion der Schuldrelativierung eingehen können, denn um ihren deutschen Nationalismus ‚ungestört‘ ausleben zu können, müssen AfD und Co. die deutsche Schuld auch an der Shoah relativieren.
Das Buch ist kurz und liest sich schnell. Hoffentlich ist es ein erster Schritt bei der Analyse, Kritik und Thematisierung des Antisemitismus in und um die AfD.

Stefan Dietl: Antisemitismus und die AfD, Berlin 2025.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.