Buchkritik „Das Deutsche Demokratische Reich“ von Volker Weiß

Mit viel Gewinn habe ich das in diesem Jahr erschienene Buch „Das Deutsche Demokratische Reich“ von Volker Weiß gelesen. Der seltsam wirkende Titel verweist auf die Patchwork-Nostalgie der extremen Rechten, die sich je nach Bedarf sowohl auf verschiedene Aspekte der deutschen Geschichte beziehen.
Dabei geht es um etwas, was als ‚Resignifikation‘ bezeichnet wird. Darunter ist die Umschreibung der kollektiven Erinnerung zu verstehen. Weiß führt aus wie dieses Projekt mit dem zunehmenden Erfolg der extremen Rechten an Resonanzraum gewonnen hat:
„Das Projekt der »historisch-fiktionalen Gegenerzählung«, mit der die extreme Rechte seit Langem ihren Zugriff auf die Geschichte gestaltet, hat durch die erweiterten Resonanzräume der Strömung erheblich an Lautstärke hinzugewonnen.“ (Seite 8)
So ist eine Art rechter antikommunistische DDR-Nostalgie entstanden, die oft mit einer rechten Dekadenzkritik und dem Feindbild Westen einher geht.
Diese Tendenz führt auch in die Arme des russischen Nationalismus, dessen antiwestlichem Weltbild man sich immer stärker annähert. Dabei kommt es zu einem „wilden crossover“, auch zwischen Imperialismus und Antiimperialismus. Den russischen Imperialismus ignoriert man, den amerikanischen verdammt man. Russland lockt die deutsche Rechte dabei mit dem „Ostpreußen-Köder“, also der angeblichen Möglichkeit die Oblast Kaliningrad, das ehemalige Nord-Ostpreußen, zurückzubekommen.

Der Autor widmet sich auch den Versuch aus den Nazis Linke zu machen, um Schuld auf den politischen Gegner abzuwälzen. Eine Betrachtung, die auch im Musk-Weidel-Gespräch im Januar 2025 auftauchte, als Weidel die Nazis als „Kommunisten“ bezeichnete.
In diesem Zusammenhang spürt Weiß einem vorgeblichen Goebbels-Zitat nach, was scheinbar ein linkes Verständnis der Nazis belegt. Das Zitat entpuppt sich aber als verkürztes Zitat eines niedersächsischen NS-Nationalrevolutionärs.

Weiter geht Weiß darauf ein, dass schon der ‚konservative Revolutionär‘ Moeller van den Bruck (1876-1925) Begriffe neu besetzt hat, z.B. als er aus dem Sozialismus einen „Deutschen Sozialismus“ machte, der allerdings gar nicht sozialistisch war. Bereits in der Weimarer Republik versuchte also die extreme Rechte sich an einer Resignifikation. Gegen die starke Arbeiter*innen-Bewegung versuchte die Rechte sich Zeichen und Begriffe der Linken aneignen ohne ihr aber beizutreten. Denn im Gegensatz zur Linken waren soziale Gerechtigkeit und Egalitarismus nicht ihr Ziel. Die Rechte verstand ihren ‚Sozialismus‘ nur als Absage an eine Klientelpolitik, aber sie ließ die gesellschaftlichen Verhältnisse unangetastet.

Nach der Wende von 1989/90 kommt es zum Paradox einer antikommunistischen DDR-Nostalgie. Die extreme Rechte nimmt positiven Bezug auf antiliberale Traditionslinien der DDR. Es entsteht „der Osten der Rechten“, der allerdings sehr fiktional und widersprüchlich ist. Etwa wenn man sich gleichzeitig sowohl positiv auf die DDR-Kultur als auch auf die Bürgerrechtsbewegung bezieht. Oder wenn man einerseits gegen Angela Merkel ihre FDJ-Sozialisation anführt und andererseits die DDR-sozialisierte Bevölkerung durch die emotionale Ansprache eines kulturellen Erinnerungsraums versucht anzusprechen, z.B. in Bezug auf die populären Simson-Motorräder.
Die extreme Rechte versucht ‚ostdeutsch‘ als rechte Marke zu etablieren. Der Osten sei noch ‚rein‘, nämlich ohne Migration und Schuldkult.
Ähnliches passiert auch jenseits des Atlantik in der US-Rechten, die traditionell antikommunistisch und russlandfeindlich eingestellt war. Auch sie hat in Teilen mit Blick auf den Nationalismus und Traditionalismus des Putins-Regimes ein positives Russland-Bild entwickelt.
Gegen Ende des Buchs enthüllt der Autor dass sein Buchtitel aus einer Rede von Jürgen Elsässer in Jena am 3. Oktober 2023 stammt. In dieser macht er sich im Prinzip für eine Separation Ostdeutschlands als eine Art ‚Rassereinheitsreservat‘ und antiwestlicher Ostblock stark.
Im Verlauf der Lektüre wird immer klarer wie die extreme Rechte durch Umdeutung und Umschreibung der deutschen Geschichte versucht über eine Relativierung zur Revision zu gelangen.

Von dem eigenwilligen Titel sollte man sich nicht abschrecken lassen. Wer wissen will wie „ die extreme Rechte Geschichte und Demokratie zerstört“ – so der Untertitel – muss dieses neue und schlaue Buch von Volker Weiß lesen.

Volker Weiß: Das Deutsche Demokratische Reich. Wie die extreme Rechte Geschichte und Demokratie zerstört, Stuttgart 2025

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.