Redebeitrag auf der Anti-AfD-Kundgebung in Tübingen am 19. Juli 2025

Folgende Rede habe ich am 19. Juli 2025 im Rahmen einer Kundgebung gegen die AfD in Tübingen vorgetragen. Allerdings machte die AfD selber einen Rückzieher, tauchte also gar nicht auf.

Liebe Freund*innen der pluralen Gesellschaft, Liebe Antifaschist*innen,

[…]

Die AfD ist eine extrem rechte Partei, die 2013 gegründet wurde und sich seitdem sukzessive nach rechts radikalisiert hat. Spätestens 2015 hat sich mit der Strömung um Björn Höcke herum ein offen faschistischer Flügel herausgebildet.
Nun hatte die AfD geplant eine Kundgebung in Tübingen abzuhalten. Das hat sie sich in Tübingen seit den Bundestagswahlen 2017 nicht mehr getraut. Auch zu den Europa- und Kommunalwahlen 2024 oder den Bundestagswahlen 2025 hat die AfD sich nicht in die Stadt Tübingen gewagt. Stattdessen hat sie nur Infostände in Mössingen oder Rottenburg veranstaltet. Sie weiß dass sie in Tübingen auf viel Widerstand treffen wird. Anhänger*innen hat sie hier vergleichsweise wenige, wie auch die Wahlergebnisse in der Stadt zeigen. Deswegen ist davon auszugehen, dass die AfD mit ihrer Kundgebung gar nicht direkt potenzielle Wähler*innen erreichen wollte. Sie wollte eher provozieren und Aufmerksamkeit erzeugen.
Vermutlich sollten Bilder erzeugt werden, die sie medial in den sozialen Netzwerken für ihre Narrative verwenden kann. Wahrscheinlich sollte es eine Mischung aus Opfer-Narrativ und Pathos werden. Die sharepics und Kurzfilme dazu hätten eine viel stärkere Breitenwirkung entfaltet als die Kundgebung an sich. Diese hätte aller Voraussicht nach durch den Gegenprotest ziemlich isoliert da gestanden.

Bundesweit wächst die Zustimmung zur AfD, auch wenn eine Regierungsbeteiligung auf Bundes- oder Landesebene derzeit eher unwahrscheinlich zu sein scheint. Doch täuschen wir uns nicht. Eine Regierungsbeteiligung der AfD wäre sicher der worst case, aber der Schaden ist nicht erst angerichtet, wenn die AfD in eine Regierung kommt. Ihren Einfluss entfaltet sie auch dann, wenn sie in der Opposition sitzt. Immer wieder jubelt die AfD: „AfD wirkt!“ Etwa wenn die Merz-CDU Grenzkontrollen wieder einführt.
Die AfD hat auch ohne Regierungsbeteiligung Diskursmacht.
Die AfD bestimmt immer öfter die Agenda. Statt über Renten, Klimawandel, Artensterben wird über Grenzkontrollen, Sicherheit und Windräder diskutiert. Sie schafft es leider erfolgreich soziale Themen zu ethnisieren oder für sich zu vereinnahmen.
Weitgehend unsichtbar bleibt ein indirekter Einfluss durch die AfD. Gemeint ist die vorauseilende Selbstzensur oder Selbsteinschränkung. Wenn die Angst vor der AfD und ihrer Diskursmacht dafür sorgen dass Veranstaltungen schon in der Planung gestrichen werden. Wenn Positionierungen ausbleiben oder so weich gekocht werden dass niemand mehr weiß, wer oder was gemeint ist.

Aber hier doch nicht!
Die AfD hat sich nicht getraut eine Kundgebung in Tübingen zu veranstalten. Große Teile der Stadtgesellschaft haben sich gegen die AfD positioniert. Also ist alles gut, oder? Ist in Tübingen die Welt also noch in Ordnung? Leider Nein! Immerhin haben wir einen Oberbürgermeister, der nach der Thüringen-Wahl im September 2024 ernsthaft der CDU empfahl mit der faschistischen Höcke-AfD zu koalieren.
Auch auf Kreis-Ebene ist die Welt alles andere als in Ordnung. In Rottenburg am Neckar befindet sich mit dem Kopp-Verlag ein Unternehmen, was beständig geistige Umweltverschmutzung verursacht.
Wer den Kopp-Verlag ’nur‘ für irgendwie seltsam oder verrückt hält unterschätzt das Problem.
Es handelt sich um ein gut gehendes Unternehmen mit 200 Mitarbeiter*innen. Einzelne Bücher schaffen es auf die Spiegel-Bestseller-Liste. Das Misch-Programm des Verlags macht eine differenzierte Kritik nötig. Bücher über Gartenbau oder das Kochen mischen sich mit Hetze gegen Muslime, Migrantinnen oder die Klimagerechtigkeitsbewegung. Hinzu kommen Bücher mit geschichtsrevisionistischen und verschwörungsideologischen Inhalt.
Durch Übersetzungen von verschwörungsideologischen oder extrem rechten Autoren findet durch den Verlag sogar ein Ideologie-Transfer statt. Etwa wenn die deutsche Übersetzung eines Buch des rechtspopulistischen argentinischen Präsidenten Javier Millei im Kopp-Verlag erscheint.
Der Kopp-Verlag hat durchaus auch Berührungspunkte zur AfD. Viele AfD-Mitglieder beziehen sich positiv auf Bücher des Verlags und mindestens sechs Buch-Autor*innen haben direkte Bezüge zum Kopp-Verlag. Mit Peter Böhringer sitzt sogar ein Kopp-Buchautor für die AfD im Bundestag.
Die Lektüre vieler Bücher aus diesem Verlag kann aber nicht nur der geistigen Gesundheit, sondern auch die körperliche Gesundheit nachhaltig schaden. Denn die Alternativmedizin-Konzepte in Buchform sind alles andere als harmlos. Es ist potenziell gesundheitsgefährdend wenn man glaubt Krebs „natürlich“ heilen zu können.
Kurzum: Der Kopp-Verlag aus dem Kreis Tübingen sorgt im gesamten deutschsprachigen Raum für eine Verbreitung extrem rechter Ideologeme und gefährlicher pseudo-medizinischer Behauptungen ohne wissenschaftliche Evidenz.
Der Kreis Tübingen ist also keine heile Welt, auch wenn die AfD-Wahlergebnisse hier vergleichsweise niedrig sind und die Gefährdungssituation durch rechte Übergriffe sicherlich geringer ist als in Bautzen oder Burladingen.
Doch irgendwann werden die Auswirkungen des Rechtsrucks auch hier ankommen. Deswegen müssen wir jetzt etwas tun!

Mehr und das richtige tun!
Wenn wir die AfD gesamtgesellschaftlich zurückdrängen wollen, genügt es nicht nur zu reagieren, wenn sie vor der Haustüre steht. Wir müssen mehr tun. Wir brauchen mittel- und langfristige Konzepte, denn wir haben es mit gesellschaftlichen Verschiebungen zu tun, der sich bei weitem nicht nur in Kundgebungen und Demonstrationen äußert. Alte Konzepte gehören auf den Prüfstand und überarbeitet.
Der Erfolg der AfD ist auch eine Niederlage ihrer Gegner*innen. Protest-Rituale müssen auf ihre Wirksamkeit geprüft werden, genauso wie wir die Versuche Menschen mit kritischen Informationen versuchen zu erreichen.
Wer nur mit Aufklärungs-Flyern gegen die AfD kämpft, die als Social-Media-Partei millionenfach Erfolge feiert, ist mit einem Messer zu einer Schießerei erschienen.
Gerne kurzfristige Interventionen, wo es nötig ist, aber wir brauchen langfristige Strategien und einen langen Atem um die AfD wieder zurückzudrängen.
Nicht nur reden bzw. Reden in Tübingen halten sondern auch was tun! Und wenn die AfD nicht zu uns kommt, müssen wir zur AfD kommen. Ganz konkret sollten wir in die Wahl-Hochburgen der AfD gehen oder dort die Menschen und Vereine unterstützen, die sich klar gegen die AfD positionieren.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.